Die Aktualität von Ruinen in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft

04.12.2025 | 9:00 bis 06.12.2025 | Europa-Universität Viadrina (Frankfurt/Oder) – Collegium Polonicum, Słubice

Das Interesse an stillgelegten, verfallenden Gebäuden scheint eine lange Geschichte zu haben. Davon zeugen zahlreiche Beispiele des archäologischen Tourismus seit der Antike. Zu bestimmten Zeiten spielte die Betrachtung von Ruinen eine prägende Rolle in der europäischen Kultur, wie die Bildwelten von Panini, Piranesi, C.D. Friedrich, pompejanische Salons und künstliche Ruinen in den Gärten europäischer Residenzen belegen. In der Spätmoderne, nicht zuletzt im Zuge des “spatial turn”, kehrt die Ruine als Metapher der Kontingenz zurück. Diesmal steht sie nicht primär für Ausdauer und die Zeitlosigkeit des Imperialen oder Erhabenen. Vielmehr fungiert sie – im Einklang mit der Beschleunigung des Weltgeschehens – als Symbol für den Wandel der Moderne, für Transformationen, Schrumpfungsprozesse und die zerstörerische Gewalt von Kriegen.

Während sich die Denkmalpflegebehörden in westlichen Ländern mit dem rechtlichen Schutz von Bahnhöfen, Industriekomplexen, Militärkasernen, Kirchen und neuerdings auch Kaufhäusern beschäftigen, die ihre Funktion verloren haben, spielt sich unter dem Radar der Institutionen etwas anderes ab. Die Verfallsprozesse sind längst zu einer Faszination für die global vernetzte Urbex-Szene geworden. Die morbide Aura moderner Ruinen wird als Ausdruck des “Authentischen” und als Gegenpol zur allumfassenden Ökonomisierung von Kulturgütern wahrgenommen. Das Betreten verlassener Gebäudekomplexe ist ein physisches Erlebnis der besonderen Art, ein Genuss von Atmosphären. Das immersive Erlebnis wird fotografisch aufbereitet und über Social Media an die entsprechenden Communities weitergegeben. Aber über unsere Realität hinaus wird das Thema des Ruins auch von der virtuellen Spiele- und Unterhaltungsindustrie genutzt, wo KI-generierte Filme und Spiele begehrte, postapokalyptische Szenarien auf Bestellung liefern. Die Ruine ist somit eine Metapher für den Zustand des Planeten im Zeitalter des Anthropozäns.

Die Länder Mittel- und Osteuropas waren und sind leider in besonderem Maße mit der Realität der Kriegsruinen konfrontiert. Insofern bietet das Thema zahlreiche Perspektiven als Leitmotiv für die diesjährige Tagung der Deutsch-Polnischen Arbeitsgemeinschaft für Kunstgeschichte und Denkmalpflege. Ziel ist es, eine vergleichende Zielsetzung im Kontext von Zeit und Raum zu verfolgen, Verbindungslinien und Brüche in der Reflexion über Ruinen zu beleuchten.