Forschungen zur Archäologie im Land Brandenburg 13

Ulla Münch – Quellenkritik als eingrenzender Faktor der Archäoprognose

Die Entwicklung und Bewertung von Prognosemodellen für Testgebiete im Land Brandenburg und ihre Anwendbarkeit in der Bodendenkmalpflege

Zusammenfassung

Die Studie erläutert die Entwicklung von archäologischen Verdachtsflächenmodellen für das Land Brandenburg und diskutiert Methoden und quellenkritische Aspekte. Ausführlich werden die Berechnungen verschiedener Verdachtsflächenkarten beschrieben, mit denen für die archäologische Forschung gute Ergebnisse erzielt werden und die im Rahmen der Bodendenkmalpflege nutzbar sein sollten.

Vier kleinräumige Testgebiete in der Niederlausitz, im Fläming, in den Landkreisen Elbe-Elster und Oder-Spree, mit deutlich unterschiedlicher Landschaftscharakteristik bilden die Arbeitsgrundlage. Sie stehen jeweils stellvertretend für den sie umgebenden größeren Raum. Auch der archäologische Datenbestand ist nicht homogen, sondern er enthält vielfältige Verteilungsdichten und Erhebungsqualitäten. Unter den ausgewählten Testgebieten befinden sich eine Tagebaufläche mit begleitenden Ausgrabungen und Sondagen, ein von Studenten großflächig begangenes Areal und Gebiete mit ehrenamtlicher Pflegertätigkeit.
Als Basis zur Entwicklung der Verdachtsflächenkarten dienen digitale Landschaftsdaten mit verknüpften Sachinformationen zu den archäologischen Fundstellen. Diese Daten müssen zunächst erfasst und aufbereitet sowie die Gewässer rekonstruiert werden. Anschließend erfolgt die Analyse mithilfe eines geografischen Informationssystems (GIS).

Die Annahme, dass prähistorische Gesellschaften ihre Siedlungsplätze zielgerichtet auswählten, ist die theoretische Grundlage zur Berechnung von Verdachtsflächenkarten. Hierbei wird vermutet, dass das Verhalten der damaligen Gesellschaften in Bezug zur Umwelt rekonstruiert werden kann. Zunächst wird hierfür analysiert, welche Landschaftscharakteristiken jene Flächen aufweisen, von denen Fundstellen bekannt sind. Die Ergebnisse dienen als Berechnungsgrundlage zur Ermittlung gleichartiger Gebiete, aus denen bisher keine oder nur wenige Fundstellen bekannt sind. Mit dieser so genannten induktiven Methode wurden bereits gültige Modelle entwickelt, die z. B. in den USA und Kanada für die Bodendenkmalpflege Anwendung finden. Um die Bedeutung der verschiedenen Landschaftsparameter für die Standortwahl prähistorischer Kulturen beurteilen zu können, werden multivariate Analysemethoden wie die logistische und lineare Regression, additive Methode, Cluster- und Faktorenanalyse getestet. Die Ergebnisse werden verglichen und nach Qualität der Verdachtsfläche, Präzision und Arbeitsaufwand beurteilt.

Zur Entwicklung eines qualitativ hochwertigen Verdachtsflächenmodells ist die archäologische Datenbasis des Testgebiets Niederlausitz, einer Region, die dem Braunkohlentagebau zum Opfer fiel, besonders gut geeignet. Sie erlaubt die Berechnung von zeitlich und nach Fundarten differenzierten Karten. In diesen lassen sich signifikant unterschiedliche Siedlungsstrategien für verschiedene Zeitenräume und Fundarten erkennen.

Von den statistischen Methoden zur Berechnung von Verdachtsflächenmodellen erweist sich die logistische Regression als relativ einfach zu handhaben. Ihre Ergebnisse sind gut und produzieren homogene Kartenbilder. Außerdem kann mit der logistischen Regression die Bedeutung jedes einzelnen Landschaftsparameters für die Standortwahl beurteilt werden. Ein wesentliches Ergebnis für alle Testgebiete ist dabei die große Bedeutung der Boden- bzw. Geofaktoren, während andere Parameter, wie die Entfernung zu Gewässern oder die Hangneigung, meist eine untergeordnete Rolle spielen. Da die Gültigkeit der Verdachtsflächenkartierung auch durch siedlungsstrukturelle Forschungsergebnisse untermauert wird, zeigt sich hier noch einmal die Abhängigkeit des Menschen dieser Zeit von seiner Umwelt, insbesondere von der Bodenbeschaffenheit.

Schließlich werden quellenkritische Aspekte in Form von Modellen definiert und mit der Verdachtsflächenkarte in Beziehung gesetzt. Das Landschaftsentwicklungs-, das Landnutzungs- und das Datenfehlermodell visualisieren Veränderungen in der Landschaft, verschiedene Bedingungen bezüglich der Auffindung archäologischer Fundstellen und andere Einflüsse auf die Qualität der Verdachtsflächenberechnung. Werden diese Parameter in Form von vielfältigen Zusatzinformationen berücksichtigt, ist eine genauere Verdachtsflächenkartierung möglich. Die so genannte Archäoprognose als archäologische Flächenbewertung unter Hinzunahme aller Modelle ist deutlich präziser als die alleinige Nutzung der Verdachtsflächenkarte. Damit steht der Bodendenkmalpflege und der archäologischen Forschung ein offenes und flexibles Flächenbewertungsinstrument zur Verfügung.

 

Summary

The study presented here elucidates the development of archaeological predictive models in the German federal state of Brandenburg. A discussion of methodology and a critical appraisal of data sources follow. The statistical procedures involved in mapping will be described in detail along with their results and value within the framework of archaeological research and heritage management.

Four small, geographically distinct test areas within the regions of Lower Lausatia, Fläming Heath and the rural districts of Elbe-Elster and Oder-Spree form the basis of the study and are taken to be representative of their greater surrounding areas. Furthermore, the archaeological data displays non-uniformity in the form of distributional variance and survey quality. The test areas contain information from such diverse sources as excavations and test-pitting within opencast mining regions, large-scale surface surveys by students and projects undertaken by volunteer conservation staff.

The development of predictive mapping is based on ground-work involving digital geographic data linked to factual information of archaeological sites and monuments. Initially, this information must be recorded and processed together with a reconstruction of the hydrological environment. Subsequent analysis is by means of a geographic information system (GIS).
The predictive mapping of areas in which the location of archaeological sites is suspected is based on the theoretical assumption that prehistoric societies purposefully chose their settlement locations. It is thus assumed that the activities of prehistoric societies in connection with their environment can be reconstructed. To this end, analysis initially focuses on the landscape characteristics of those regions that contain known sites, the results then serving as a basis for the evaluation of geographically similar areas where few or no sites are known. This so-called inductive methodology has already been used to develop valid models that have found implementation in the heritage management of, for example, the USA and Canada. To assess the importance of the various environmental parameters responsible for the location of prehistoric settlement a number of statistical tools are employed: multivariate analyses such as logistic and linear regression, additive models and cluster and factor analysis. The results are compared and rated according to the quality of the test area, the precision of the data and the amount of work involved in data acquisition.

The archaeological data base of Lower Lusatia, a test region exploited by open cast lignite mining, is particularly well suited to the development of a high quality archaeological predictive model. The data permits the computation of maps differentiated by chronology and types of site, which, in turn, reveal significantly different settlement strategies over time.

Of all the statistical methods used in predictive modelling, logistic regression is one of the most productive. The results are reliable and produce consistent map images. Furthermore, this method can be used to evaluate each individual environmental parameter involved in settlement location. For all test areas, the importance of soil and geological parameters appear to be fundamental, while others factors, such as distance to water or slope, usually play a subordinate role. Since the validity of the predictive mapping is also corroborated by the results of archaeological settlement pattern research, it shows here once again the dependence of prehistoric settlers on environmental factors, particularly soil quality.

Lastly, a critical appraisal of data sources in the form of models will be defined and correlated with the predictive map. Models of landscape development, landscape use and data bias error help not only visualise landscape change, but also the various constraints involved in the discovery of archaeological sites and other aspects influencing the quality of computation in predictive modelling. If these parameters are considered as a form of multifaceted supplementary information, then a more precise form of predictive mapping will be possible. The use of the so-called Archaeoprognose as a tool of archaeological area evaluation combined with these models is considerably more accurate than use of predictive maps alone. A useful and flexible tool for landscape assessment has thereby been gained for use in heritage management and archaeological research.

 

 

Inhalt

Vorwort

Vorwort der Autorin

Summary

1 Einleitung

2 Fragestellung und Hypothese

3 Vorgehensweise

4 Die Testgebiete
4.1 Testgebiet 3 Oder-Spree
4.1.1 Naturraum – Geologie
4.1.2 Archäobotanik
4.1.3 Archäologie
4.2 Testgebiet 4 Flämin
4.2.1 Naturraum – Geologie
4.2.2 Archäologie
4.3 Testgebiet 5 Elbe-Elster
4.3.1 Naturraum – Geologie
4.3.2 Archäologie
4.4 Testgebiet 7 Niederlausitz
4.4.1 Naturraum – Geologie
4.4.2 Archäologie

5 Aufbau eines geografischen Informationssystems (GIS)
5.1 Was ist ein GIS?
5.2 GIS-Aufbau für die Testgebiete
5.3 Datenquellen
5.3.1 Geologische und pedologische Daten
5.3.2 Hydrologische Daten
5.3.3 Archäologische Daten
5.4 Datenaufbereitung und -überprüfung
5.4.1 Höhenmodellberechnung
5.4.2 Kartierung von Boden, Substrat oder Geologie
5.4.3 Geologische Kartierung Testgebiet 7 Niederlausitz
5.4.4 Überprüfung archäologischer Daten
5.4.5 Rekonstruktion der Landschaft
5.5 Digitales Landschaftsmodell (DLM)
5.5.1 Statistik der Landschaftsfaktoren

6 Archäoprognose – Predictive Model
6.1 Forschungsgeschichte „predictive modelling“
6.2 Archäoprognose: Theorie und Methoden
6.3 Entwicklung von Prognosemodellen
6.3.1 Logistische Regression Testgebiet 7 (Phase 5)
6.3.2 Additive Methode Testgebiet 7 (Phase 1)
6.3.3 Lineare Regressionsanalyse Testgebiet 7 (Phase 3)
6.3.4 Prognose auf der Basis von Lokalisationstypen Testgebiet 4 (Phase 4)
6.3.5 Prognose nach der Methode des BLDAM
6.3.6 Vergleich der Methoden für Testgebiet 7
6.4 Strukturelle Interpretation der Prognoseergebnisse (Testgebiet 7)
6.4.1 Siedlungsstrukturen in hoch verdächtiger Fläche
6.4.2 Vergleich der Verdachtsflächenkarten zeitlich aufeinander folgender Kulturen
6.5 Verdachtsflächenmodelle für weitere Testgebiete
6.5.1 Testgebiet 3 Oder-Spree
6.5.2 Prognose nach der Methode des BLDAM (Testgebiet 3)
6.5.3 Testgebiet 4 Fläming
6.5.4 Testgebiet 5 Elbe-Elster
6.5.5 Prognose nach der Methode des BLDAM (Testgebiet 5)
6.6 Überprüfung der Ergebnisse
6.6.1 Gain factor
6.6.2 Ausblenden eines Fundmeldungszeitraumes
6.6.3 Begehung (Testgebiet 4)

7 Quellenkritische Aspekte
7.1 Landschaftsentwicklungsmodell
7.1.1 Landschaftsrekonstruktion Gewässer
7.1.2 Landschaftsrekonstruktion Erosions- und Akkumulationsmodell
7.1.3 Landschaftsrekonstruktion palynologische Ergebnisse
7.2 Landnutzungsmodell
7.3 Datenfehlermodell
7.3.1 Unvollständigkeit archäologischer Ausgangsdaten
7.3.2 Qualitätsunterschiede in den Landschaftsdaten
7.3.3 Skalierung
7.3.4 „Graue Daten“ – „informal knowledge“

8 Flächenbewertung
8.1 Testgebiet 3 Oder-Spree
8.2 Testgebiet 7 Niederlausitz

9 Schlussbetrachtung

10 Katalog
10.1 Kartengrundlagen und Luftbilder
10.2 Archäologische Datengrundlage
10.3 Statistikausgaben
11 Literatur