Der Stadtgeschichte auf den Grund gegangen
2025/06

Auch wenn das Land Brandenburg nicht mit Meeresstränden dienen kann, ist es doch das gewässerreichste Bundesland. Wegen der wichtigen Rolle, die Wasser zu allen Zeiten für den Menschen gespielt hat und spielt, ist es nicht überraschend, dass immer wieder Spuren vergangener menschlicher Aktivitäten an und in Seen und Flüssen gefunden werden. Die unter der Wasseroberfläche verborgenen Funde und Befunde treten jedoch nur selten zu Tage, etwa bei starkem Niedrigwasser oder bei Ausbaggerungen. Alternativ können sich Betrachter mit entsprechender Technik und Ausbildung selbst unter die Wasseroberfläche begeben, so wie es die zwei ehrenamtlichen Bodendenkmalpfleger in Brandenburg schon lange tun.

Die Taucher Olaf Görg (Abb. 1) und Roger Blum (Abb. 2), beide ehrenamtliche Bodendenkmalpfleger der brandenburgischen Landesarchäologie und Mitglieder des Vereins für Unterwasserarchäologie Berlin-Brandenburg e.V., stießen bei einem eigentlich zur Entspannung vorgesehenen Tauchgang im unter Tauchern beliebten Straussee (MOL) auf vollständig erhaltene Gefäße des fortgeschrittenen Mittelalters aus gelber und grauer Irdenware. Die weitere Suche auf dem Seegrund erbrachte in einem begrenzten Areal ein ganzes Gefäßensemble (Abb. 3), darunter mehrere Kannen mit unterrandständigem Henkel und Kugeltöpfen aus grauer Irdenware, sowie zwei Steinzeuggefäße mit gelblicher Glasur. Eine Besonderheit, da man bei Oberflächenbegehungen auf Äckern oder auch in Grabungsbefunden in der Regel nur einzelne Scherben findet. Die gefundenen Stücke lassen sich zum Teil ins ausgehende Mittelalter datieren, einige der glasierten Stücke weisen bereits in die frühe Neuzeit.

Wegen der eingeschränkten Sicht war ein Wiederauffinden der Gefäße nicht sicher. Zudem ist das Areal ein beliebtes Tauchziel. Eine Markierung der Fundstelle unter Wasser barg die Gefahr einer Wegnahme durch Dritte. Aus diesem Grund entschieden sich die Taucher, die Fundstelle einzumessen und die Funde sofort zu bergen, um sie dann dem Landesamt für Denkmalpflege zu übergeben.

Bei einem weiteren Tauchgang kam eine mittelalterliche Topfkachel aus grauer Irdenware zum Vorschein (Abb. 4). Dieser Fund ist insoweit bemerkenswert, da Öfen mit entsprechenden Kacheln dem gehobenen Wohninventar zugerechnet werden und sicherlich nicht in jedem Haushalt vorzufinden waren. Möglicherweise stammen die Kachel und auch die anderen Funde aus der markgräflichen Burg des 12. und des 13. Jahrhunderts oder dem 1252-1259 an gleicher Stelle errichteten Dominikanerkloster. Das Kloster wurde im Zuge der Reformation 1540 aufgehoben und verfiel. Auf den Grundmauern entstand später ein Gebäude, das zunächst Schule dann als Armenhaus und Invalidenanstalt diente.

Das umfangreiche Gefäßinventar vom Grund des Straussees gibt Einblicke in die frühe Phase der Stadt Strausberg. Eine Kulturhalde am ufernahen Seegrund mit großen Mengen von neuzeitlichem Abfall zeigt, dass die Entsorgung von Müll im Wasser nach dem Prinzip „aus den Augen aus dem Sinn“ bis heute praktiziert wird. Offen bleibt, wie die Gefäße so weit in den See geraten sind und warum man offenbar unbeschädigte Gefäße entsorgte. Eine vom Verein für Unterwasserarchäologie Berlin-Brandenburg e. V. geplante Nachuntersuchung im Straussee soll diese und weitere offene Fragen klären.
Lukas Goldmann, Olaf Goerg, Roger Blum
Literatur
H. Lüdtke – K. Schietzel (Hrsg.), Handbuch zur mittelalterlichen Keramik in Nordeuropa, Schriften des Archäologischen Landesmuseums 6 (Neumünster 2001).
J. Henker, Dorfkernforschung in Klein Görigk. Keramik als Quelle zur historischen Entwicklung eines Niederlausitzer Dorfes, Forschungen zur Archäologie im Land Brandenburg 18 (Wünsdorf 2019)
B. Wittkopp, In Erwartung des Jüngsten Gerichts. Der Friedhof der Dominikaner in Strausberg, Lkr. Märkisch-Oderland, Archäologie in Berlin und Brandenburg 2007, 117-119.