Ein verformter Schädel für die Schönheit? Der Turmschädel von Ketzin

24.08.2018

Im Jahr 1961 kam eines der bemerkenswertesten Gräber Brandenburgs zum Vorschein: Während eines Bauvorhabens in Ketzin werden fünf Gräber der „germanischen“ Völkerwanderungszeit aus dem 5./6. Jh. n.Chr. geborgen. In einem der Gräber findet sich ein Frauenskelett, dessen Schädel eine künstliche Deformation aufweist. Dies ist der bisher einzige Fund dieser Art in Brandenburg und vermutlich der nördlichste in Europa.

Durch eine feste, sicher schmerzhafte Bandagierung des Schädels im frühen Kindheitsstadium zwang man diesen zu einem turmartigen Wachstum, es entstand eine sehr hohe Stirn bei recht schmalem Kopf – anscheinend ein Schönheitsmerkmal bei Mädchen und Frauen. Dieser massive Eingriff in die Entwicklung und Ausformung von Säuglingsschädeln wurde bei den „Germanen“ durch den Einfluss der Hunnen seit etwa 430 n.Chr. zur Mode. Im Zuge der Westwanderung der Hunnen aus Zentralasien breitete sich diese Sitte besonders bei den Eliten in Mittel- und Westeuropa aus. Die Fundverbreitung reicht bis nach Frankreich.

Kosmetische und plastische Veränderungen von Körperteilen im Dienste der Schönheit und Mode, die mit schweren Eingriffen und Schmerzen verbunden sind, gibt es bis heute, nicht nur bei indigenen Völkern. Die künstliche Schädeldeformation war nicht auf Asien und Europa begrenzt, auch in Südamerika wurde sie praktiziert.

Ab dem 21.9.2018 wird der Turmschädel von Ketzin neben weiteren Funden aus Brandenburg im Rahmen des europäischen Kulturerbejahres im Berliner Martin-Gropius-Bau in der Ausstellung „Bewegte Zeiten. Archäologie in Deutschland“ zu sehen sein.

Weiteres zur Ausstellung sowie zum Europäischen Kulturerbejahr 2018: https://www.smb.museum/ausstellungen/detail/bewegte-zeiten.html https://sharingheritage.de/

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