Besonderer Befundreichtum in Segeletz – Friedhof der “Ur-Segeletzer” teilweise ausgegraben

10.11.2022

Mittelalterliche Gräber unter der der Ortsdurchfahrt von Segeletz. Foto: Archäologiebüro WHP

Seit 1830 führt die Ortsdurchfahrtsstraße von Segeletz über den ehemaligen Dorffriedhof. Zuvor war sie um den Kirchhof herum verlaufen, wie die Darstellung im Schmettau’schen Kartenwerk aus dem 18. Jahrhundert noch erkennen lässt. Nun kamen bei der Sanierung der Ortsdurchfahrt zahlreiche Gräber zum Vorschein. Immerhin hatten die Segeletzer vom 13. Jahrhundert bis 1830, also weit über 500 Jahre, hier bestattet. Insgesamt 122 Gräber mussten bisher im Bereich des Friedhofs dokumentiert und geborgen werden. Die Denkmalbehörden und die Ausgrabungsfirma waren jedoch vor Beginn der Arbeiten davon ausgegangen, dass durch die umfangreichen früheren Arbeiten an der B5 große Teile des Friedhofs bereits zerstört worden waren. Der Erhaltungszustand war vor diesem Hintergrund dann doch unerwartet.

Bestattung eines Mannes mit Schwerthiebverletzung am Schädel. Foto: Archäologiebüro WHP.

Die Bestatteten sind mit zwei Ausnahmen nach christlichem Brauch in Rückenlage und Ost-West-Richtung niedergelegt worden. Bei etwa der Hälfte der Toten handelt es sich um Kinder. Die meisten der Bestatteten lagen in Särgen, es gibt aber auch zwei Leiter- und eine Leichentuch-Bestattung. Leiterbestattungen waren im Mittelalter üblich, man legte die Toten auf einer leiterartigen Holzkonstruktion ins Grab. Die sarglosen Bestattungen im Leichentuch erkennt man an den eng an den Körper gelegten Armen und den eng zusammenliegenden Beinen. Die menschlichen Überreste lassen zahlreiche Aussagen über den Gesundheitszustand der Menschen zu. Ein großer Teil der Toten zeigt Spuren schwerer körperlicher Arbeit sowie Zeichen für Mangelernährung. Die Zahngesundheit war durchweg sehr schlecht. Bei zwei Individuen hatte sich sogar Zahnstein auf den Kauflächen gebildet, was nur geschieht, wenn mit den Zähnen nicht mehr gekaut wird. Beide, eine junge Frau und ein junger Mann, waren über einen längeren Zeitraum schwer krank und sind – vermutlich von ihren Angehörigen – gepflegt worden. Vielleicht konnten sie nur noch flüssige Nahrung zu sich nehmen. Etwas abseits des Friedhofs lagen zwei weitere Gräber. Ein etwa 50 bis 60 Jahre alter Mann hat eine Schwerthiebverletzung am Schädel zumindest eine Zeit lang überlebt. Er wurde wohl im Mittelalter bestattet und wies keine Spuren harter körperlicher Arbeit auf – vielleicht ein adliger Krieger. In seiner Nähe war ein Mädchen, wohl schon in der Slawenzeit, eher “entsorgt” als bestattet worden.

Slawenzeitliche Bestattung eines Mädchens unter der der Ortsdurchfahrt von Segeletz. Foto: Archäologiebüro WHP.

Warum beide abseits des Friedhofs begraben wurden, bleibt bislang unklar. Die geborgenen Skelette werden in Zukunft im brandenburgischen Landesfundmagazin in Wünsdorf aufbewahrt und weiter untersucht. Skelettserien über einen derart langen Zeitraum eröffnen vielfältige Untersuchungsmöglichkeiten, die die Bevölkerungsentwicklung von Segeletz beleuchten, im Vergleich mit den Ergebnissen anderer Friedhofsgrabungen aber auch zur Landesgeschichte von Brandenburg wichtige Beiträge leisten.

Bestattung eines dreizehnjährigen Mädchens mit Schleier. Oben: Geweberest am Schädelknochen. Unten: Rekonstruktionszeichnung. Foto und Zeichnung: Archäologiebüro WHP.

Die Befundfülle, zu der auch umfangreiche ältere Relikte aus der Vorgeschichte und der Slawenzeit zählen, hat die Ausgrabungsarbeiten unerwartet verlängert und damit auch die Kosten erhöht. Modernste Technik, wie der Einsatz von Drohnen zur Vermessung und Fotografie, ist heute auf Ausgrabungen üblich, um die Arbeiten zu beschleunigen und so Zeit einzusparen.

“Eine Alternative zur Bergung der Gräber und zur Dokumentation aller anderen von Zerstörung bedrohten archäologischen Relikte gibt es vor dem Hintergrund des Brandenburgischen Denkmalschutzgesetzes nicht”, erklärt Jens May, der zuständige Gebietsreferent des Brandenburgischen Landesamts für Denkmalpflege. Und auch die Pietät verbietet es, die Gräber für den Straßenbau einfach wegzubaggern. Der Landesbetrieb Straßenwesen hat mit der Anhebung des Planums für den Bau der zweiten Straßenhälfte auf die aktuelle Situation reagiert, so dass nun viele Bestattungen unter der Straße verbleiben können – damit sinken auch die Kosten. Das Brandenburgische Landesamt für Denkmalpflege und das Archäologiebüro Weishaupt, Hahn und Partner, das mit großem Einsatz an den Befunden arbeitet, passten das Grabungskonzept daraufhin entsprechend an. So kann die Dokumentation und Bergung zahlreicher Gräber eingespart werden. “Viele Bestattungen können also unter der Straße im Boden verbleiben und stellen weiterhin einen wichtigen Bestandteil des Bodendenkmals ‚Dorfkern Segeletz‘ und einen Teil der Identität und des kulturellen Gedächtnisses des Dorfes dar”, so May.

Prähistorische Befunde unter der der Ortsdurchfahrt von Segeletz. Foto: Archäologiebüro WHP.

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