Die mesolithische Bestattung aus Rathsdorf

„Die mesolithische Bestattung aus Rathsdorf und ihre Bedeutung für den Einfluss der Ertebölle-Kultur in Brandenburg“

Gefördert durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft

Das Grab, das der späten Jäger-Sammler-Kultur zuzuordnen ist (5300 v. Chr.), wurde im Jahr 2008 durch Ralph Lehmphul (BLDAM), während einer Vorfeldkampagne zur Ostsee-Pipeline-Anbindungsleitung (Opal) entdeckt und aufgrund des hohen Zeitdrucks der Kampagne, als Block geborgen. Diese Blockbergung ermöglicht nun umfangreiche wissenschaftliche Analysen, um mehr über die in Brandenburg beheimateten Jäger- Sammlergruppen zu erfahren.

Erste Einschätzungen

Es handelt sich bei diesem Grab um eine Sonderbestattung, bei der das weibliche Individuum in relativ großer Tiefe in einer halbsitzenden bis -liegenden Haltung, mit zwei großen Steinen auf den ausgestreckten Unterschenkeln und in ein stark rötliches Sediment eingebettet niedergelegt wurde (Abb. 1). An Grabbeigaben fanden sich eine Knochenspitze, drei Feuersteinartefakte sowie zahlreiche Tierzähne (min. 134 Stück), die vor allem im Kopf- und Brustbereich der Bestattung konzentriert und noch in das Sediment der Blockbergung eingebettet sind (Abb. 2-3). Vergleichende Untersuchungen haben gezeigt, dass sich der rathsdorfer Befund gut in den Kontext der nord- und osteuropäischen mesolithischen Grablegen einordnen lässt. Der Habitus des Grabes lässt für Brandenburg in bislang einmaliger Weise Parallelen zu den ertebøllezeitlichen Bestattungen aus Skateholm I in Schweden erkennen (Abb. 3). Gemessen an den Grabbeigaben und Trachtornamenten, kann der rathsdorfer Befund mit zu den am reichsten ausgestatteten mesolithischen Gräbern europaweit gezählt werden. Auch der für die Grablegung betriebene große Aufwand und die Körperhaltung des Individuums deuten auf eine sozial herausgehobene Person. Die Grablege ist aus mehreren Gründen äußerst wichtig, weshalb ihr auch eine große nationale, internationale und landeskundliche Bedeutung zukommt.

Bedeutung der Bestattung

Das Rathsdorfer Grab datiert an das Ende des 6. Jahrtausends vor Chr. und fällt somit in einen der wesentlichsten Zeitabschnitte unserer Menschheitsgeschichte, nämlich in den Übergang vom mobilen Jäger- Sammlertum zur sesshaften Lebensweise mit Ackerbau und Viehzucht. Für Brandenburg zeichnet sich dabei ein längeres Nebeneinander beider Wirtschaftsformen ab. Dieser Übergang ist bisher europaweit noch recht schlecht erforscht, zumal Bestattungen der Jäger- Sammler Kulturen als äußerst selten gelten können. So sind für eine Zeitspanne vom 10. bis in das 4. Jahrtausend vor Chr. europaweit nur 250 Bestattungsplätze (ca. 2100 Individuen) dokumentiert, davon 27 innerhalb Deutschlands. Die Rathsdorfer Bestattung ist – zusammen mit den neuentdeckten Individuen aus Groß-Fredenwalde (Uckermark)- die erste Körperbestattung seit 25 Jahren in Deutschland und damit der fünfte mittelsteinzeitliche Bestattungsplatz für Brandenburg. Aufgrund der geringen Zahl mittelsteinzeitlicher Gräber, die zudem sehr unterschiedlich überliefert und erforscht sind, ist unser Wissen über die mittelsteinzeitliche Bevölkerung in Bezug auf Herkunft, Bestattungsriten und Genese stark eingeschränkt.

Vor diesem Hintergrund bietet der Rathsdorfer Befund die Möglichkeit, eine modern gegrabene mittelsteinzeitliche Bestattung unter Einbeziehung neuerer Techniken sowie naturwissenschaftlicher Disziplinen genauer zu untersuchen und damit einen Beitrag zur Frage nach den Bestattungsriten, der Tracht, sowie den Verbreitungsmechanismen und des interkulturellen Austausches von prähistorischen Gemeinschaften des ausgehenden 6. v. Chr. zu leisten.

Ansprechpartnerin: Maha Ismael-Weber