Das “Schweizerhaus Seelow” erhält den Berlin-Brandenburg-Preis
22.10.2024

Die Konzertreihe “Musikschulen öffnen Kirchen” und das “Schweizerhaus” in Seelow (Märkisch-Oderland) haben den diesjährigen Berlin-Brandenburg-Preis erhalten. Das “Schweizerhaus Seelow” mit der dazugehörigen Parkanlage ist heute wieder eine regional und überregional bekannte Sehenswürdigkeit, die zahlreiche interessierte Besucher*innen anzieht. Seit den frühen 1990er-Jahren lag das Grundstück im Dornröschenschlaf, bis der 2007 gegründete Heimatverein „Schweizerhaus Seelow“ e.V. die Wiederherstellung des nahezu verlassenen Geländes übernahm und bis heute an Hugo Simons Leben und Wirken erinnert. Dank der Bemühungen einer kleinen und sehr engagierten Gruppe konnten die ehemaligen Simonschen Anlagen vor dem weiteren Verfall bewahrt werden. In den folgenden Jahren hat sich der Prozess der Restaurierung des Geländes in Zusammenarbeit mit der Stadt und dem Land durch die intensive Arbeit des Heimatvereins und dank der Großzügigkeit öffentlicher und privater Sponsoren allmählich entwickelt. Die 2021 gegründete Hugo Simon Stiftung verbindet darüber hinaus deutsch-jüdische Geschichte und regionale Bestrebungen mit einer internationalen Perspektive rund um das “Schweizerhaus in Seelow”.
Das 1854 erbaute Schweizerhaus diente ursprünglich als Ausflugslokal; es verfügte über einen Biergarten und eine kleine Bühne für Konzerte und andere Aufführungen und war ein regionaler Anziehungspunkt. Hugo Simon, ein sehr bekannter Berliner Bankier und Kunstmäzen der Weimarer Republik, erwarb das Anwesen 1919 um es zu einem landwirtschaftlichen Betrieb um- und auszubauen und nutzte es auch als einen Treffpunkt für seine Netzwerke im Kulturbereich. Dessen spätere Bezeichnung als „Landgut Schweizerhaus“ war eine Reminiszenz an das bekannte Ausflugsziel. Tatsächlich behielt das Gebäude seinen schlichten Charakter, obwohl es nach seinem Umbau zu einem Wohnhaus für die Familie Simon über moderne Annehmlichkeiten wie fließend Wasser und Elektrizität verfügte. Das Landgut Schweizerhaus entwickelte sich bald zu einem dynamischen landwirtschaftlichen Betrieb, der hauptsächlich Obst, aber auch Gemüse, Blumen, Honig und Geflügel produzierte. Gleichzeitig wurden der Park und das Gelände landschaftlich, architektonisch und künstlerisch weiterentwickelt: Ein Teich mit einer kleinen Brücke und einem Springbrunnen entstanden. Ende der 1920er Jahre war das Landgut Schweizerhaus im Gegensatz zu heute in ganz Deutschland bekannt und zog jährlich Tausende von Besucher*innen an, vor allem aus Berlin.
Im Oktober 1933 wurde das Gut vom Preußischen Staat beschlagnahmt und als Landwirtschaftsschule und Versuchsfarm weitergenutzt. Hugo und seine Frau Gertrud Simon waren gezwungen Deutschland zu verlassen: Ihr politisches Engagement und ihre jüdische Herkunft rückten sie in den Fokus der nationalsozialistischen Verfolgung. Sie emigrierten über Paris nach Brasilien und mussten dort mit falschen Pässen untertauchen. Lange kämpfte er nach 1945 vergeblich um die Wiedererlangung seiner Idenität. Nach dem Krieg lebte das Ehepaar Simon weiter in Brasilien, von wo aus sie sich bemühten, nicht nur ihren verlorenen Besitz, sondern auch ihre Identitäten zurückzuerhalten, denn die falschen Pässe waren die einzigen Dokumente. Und trotz prominenter Bürgen war es Hugo Simon nicht möglich, seinen Namen und damit auch seine Nationalität noch zu Lebzeiten zurückzuerlangen. Er starb am 4. Juli 1950 in São Paulo. Gertrud Simon blieb in Brasilien, sie starb dort 1964.
Zwischen 1945 und 1949 diente das Gut nicht nur landwirtschaftlichen Zwecken, u.a. wurde hier vorübergehend eine Gewerbeschule untergebracht. Während der DDR-Zeit (bis 1990) wurde das Schweizerhaus mit seinen Anlagen als VEG (Volkseigenes Gut) Gartenbau Seelow landwirtschaftlich weitergenutzt, rund 30 Mitarbeiter*innen kümmerten sich insbesondere um Gemüse- und Blumenanbau. Nach der Wiedervereinigung übernahm das Land Brandenburg das Anwesen und 1992 wurde den Erben Hugo Simons das Gelände rückübereignet.
Der BERLIN BRANDENBURG PREIS ist eine eigenverantwortliche gesellschaftliche Initiative aus Berlin und Brandenburg. Er wird seit 2018 jährlich von der Stiftung Zukunft Berlin und der Brandenburgischen Gesellschaft für Kultur und Geschichte ausgelobt. Der Preis zeichnet herausragende Leistungen für die aktuelle Entwicklung der gemeinsamen Region aus – Leistungen, die einen wirkungsvollen und nachhaltigen Impuls für die soziale und gesellschaftliche Situation eines Ortes oder der gesamten Region setzen. Er setzt auf die Zusammengehörigkeit in der Region und will sie fördern.