Braunkohleverstromung

Einhausung der Verbundmaschine der Grube Alwine bei Domsdorf, Betriebszeit der Grube: 1876-1919.
Foto: Kaja Boelcke, BLDAM

Die Verstromung von Braunkohle in Kraftwerken hat in den vergangenen 250 Jahren maßgeblich zu Industrialisierungs- und Modernisierungsprozessen geführt. Bis heute liefern Kohlekraftwerke sowohl Elektro- als auch Wärmeenergie, um die Anforderungen der Industrie und unserer Gesellschaft zu decken. Gleichzeitig gehören Kohlekraftwerke zu den bedeutendsten Verursachern von Umweltschäden, weil sie Kohlendioxid, Schwefeldioxid, Stickoxide, Kohlenmonoxid und Quecksilber ausstoßen. Angesichts des bevorstehenden Kohleausstiegs und der damit verbundenen Stilllegung der letzten verbliebenen aktiven Kohlekraftwerke, inventarisiert das Erfassungsprojekt Lausitz den Bestand von Objekten der Energieerzeugung im Lausitzer Revier.

Die Geschichte der Braunkohlekraftwerke beginnt mit der Einführung des elektrodynamischen Gleichstromgenerators, der vermutlich 1879 auf dem Senftenberger Braunkohlefeld Stadtgrube, und damit erstmals in der Lausitz, eingesetzt wurde. Dieser Generator markiert den historischen Übergang vom manuellen Kohleabbau zur Mechanisierung durch den Einsatz stationärer Dampflokomobilen, die zunächst zur Wasserhaltung und Kohleförderung, später auch zur Stromerzeugung genutzt wurden.

Technische Fortschritte führten zur Entwicklung der ersten eingehausten Verbundmaschine (Abb. 1). Bald darauf entstanden die ersten Kraftzentralen, die die Grundlage für die Stromversorgung von Bergwerken und Brikettfabriken bildeten. Die kontinuierliche Optimierung der Kraftzentralen und ihre Anpassung an betriebswirtschaftliche Anforderungen spiegeln den Einfluss der Industrie auf die technologische Entwicklung wider. Ein bemerkenswertes Beispiel dafür ist die Nutzung von Wärme zur Unterstützung weiterer industrieller Prozesse. Sie wurde in der Lausitz erstmals in der Kraftzentrale Brieske ermöglicht, indem Prozessdampf durch die Installation einer Gegendruckturbine ausgekoppelt werden konnte (Abb. 2).

Kraftzentrale der Brikettfabrik Brieske in Marga, Betriebszeit der Kraftzentrale Brieske: 1906-1999, Ausbau zum 125 MW-Kraftwerk: 1977. Foto: Kaja Boelcke, BLDAM

1911 wurde mit dem Kraftwerk Hirschfelde das erste Großkraftwerk in der Lausitz errichtet (Abb. 3). Großkraftwerke ermöglichen eine flächendeckende Energieverteilung über das ausgebaute Stromnetz. Ein großer Vorteil besteht darin, dass der Strom von mehreren Erzeugern zu einem Verbund zusammengeschaltet werden kann, wodurch ein störungsfreier Betrieb sichergestellt ist. Am 24.01.1912 wurde die erste 110-kV-Leitung in Europa in Betrieb genommen, die von Lauchhammer nach Riesa führte. Infolge der Entstehung weiterer und größerer Kraftwerke, der Zunahme der Abnehmenden sowie der Menge des verbrauchten Stroms wurden Umspannwerke errichtet, etwa in Preilack, Ragow und Graustein. Sie stellten auf verschiedenen Spannungsebenen die Versorgung bis nach Berlin sicher.

Kraftwerk Hirschfelde, Betriebszeit: 1911-1992. Foto: Kathrin Kruner, LfD Sachsen

Die DDR konzentrierte sich beim Neubau von Großkraftwerken aufgrund der reichen Kesselkohlevorkommen auf den Nord- und Südostteil des Lausitzer Reviers. Die Investitionen in die Industrie, insbesondere in die Kohleenergie, resultierten aus wirtschaftspolitischen Herausforderungen, wie zum Beispiel dem Mangel an anderen Energieträgern im Land, und führten 1957 zum Kohle-Energieprogramm. Infolgedessen wurden Großkraftwerke entwickelt, deren Nennleistung kontinuierlich erhöht wurde. Kraftwerke wie Lübbenau, Vetschau und Lauta besaßen Blöcke mit 50 bis 100 MW Leistung, in Boxberg und Jänschwalde wurden sogar 500 MW-Blöcke installiert (Abb. 4).

Kraftwerk Boxberg, Betriebszeit: seit 1978, Werk IV (900 MW-Block): 2000, Block R (675 MW-Block): 2012. Foto: Dr. Ronald Heynowski, LfA

Mit der politischen Wende 1989/ 1990 wurde die Entwicklung abrupt unterbrochen, als es durch die Wiedervereinigung mit der Bundesrepublik Deutschland zu erheblichen Umbrüchen und Anpassungen des politischen und wirtschaftlichen Systems kam. Die Kraftwerke wurden nach und nach außer Betrieb genommen, mit Ausnahme von Boxberg und Jänschwalde. Die beiden Anlagen wurden der westdeutschen Großfeuerungsanlagenverordnung von 1983 entsprechend mit Rauchgasentschwefelungsanlagen nachgerüstet und umfassend saniert. Zudem wurde das Kraftwerk Boxberg, das einst leistungsstärkste Kraftwerk der DDR, um weitere Kraftwerksblöcke erweitert.

Das jüngste Kohlekraftwerk im Lausitzer Revier ist das 1992 errichtete Kraftwerk Schwarze Pumpe, das als ein einheitlicher Kraftwerkskomplex mit den seinerzeit modernsten Anlagen entstand. Mit der Gestaltung des äußeren Erscheinungsbilds wurden die Architekten Fred Angerer und Gerd Feuser beauftragt (Abb. 5).

Kraftwerk Schwarze Pumpe, Betriebszeit: seit 1997. Foto: Kaja Boelcke, BLDAM

Angesichts des Strukturbruchs der 1990er Jahre und des Verlusts von bedeutenden Zeugnissen der industriellen Entwicklung in der Lausitz wäre es angebracht, eine Diskussion über die Erhaltungsperspektive von Kraftwerken anzustoßen.

Literatur:

Matthias Baxmann: Kohle und Strom aus der Lausitz, in: Buschmann, Walter (Hg.): Kohlekraftwerke. Kraftakte für die Denkmalpflege?!, Essen 1999, S. 112-125.

Dieter Kahl (et al.): Braunkohlenverstromung im Lausitzer Revier. Die Geschichte ehemaliger Braunkohlenkraftwerke, in: Förderverein Kulturlandschaft Niederlausitz e.V. (Hg.): Beiträge zur Geschichte des Bergbaus in der Niederlausitz, Bd. 10, Cottbus 2009.

Dieter Sperling und Wolfgang Schossig: Bergbau in der Lausitz. Ein Überblick, in: Förderverein Kulturlandschaft Niederlausitz e.V. (Hg.): Beträge zur Geschichte des Bergbaus in der Niederlausitz, Bd. 1, Cottbus 2017.

Vattenfall (Hg.): Schwarze Pumpe, Forst 2005.

VEAG (Hg.): Die Braunkohlenkraftwerke der VEAG, Berlin 1998.